Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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deſſen brachte Frau von Vosf die nächſtfolgenden Jahre zm größten Theile bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegerſohne zu, den Sommex meiſt in Franken auf einex oder der anderen der Beſitzungen des Grafen Caſtell, den Winter in Würzburg, Regensburg, Prag oder Wien. An lehterem Ort blieb ſie einer Kux wegen, welche die junge Frau brauchen mußte, einen ganzen Winter. Kaum angelangt, führte man ſie in die Auguſtinerkirche, wo die Aufnahme des Erzherzogs Maximilian in den Deutſchen Herren-Orden eben mit’ einer ſehr prachtvollen Feierlichkeit begangen wurde. Nach der tirhlichen Einſegnung des neuen Nitters fand ein feſtliches Mahl ſämmtlicher Ordensherren mit großem Prunke ſtatt, bei welchem au< Zuſchauer zugelaſſen wurden." Bei dieſer Gelegenheit ſah Frau von Vosſ den Kaiſer Joſeph IT. wieder, den ſie bereits in Karlsbad fennen gelernt hatte und der, erfreut, ihr ſo unerwartet zu begegnen, ſie ſogleich ſelbſt zu der ebenfalls anweſenden Kaiſerin führte und dieſer vorſtellte, und während ihres ganzen Aufenthaltes in Wien ſie mit Einladungen, Aufmerkſamkeiten und Auszeichnungen jeder Art überhäuſte.

Jm Monat April des Jahres 1771 war Frau von Vos\ dur<h den Tod ihrer Mutter ſ{hwer betroffen worden, welche fie vorher in einer längeren Krankheit treuli<h gepflegt hatte. Sie ſagt darüber in ihrem Tagebuch:

„Dieſer Schlag war mix unausſpre<li< ſ{hmerzli< und „der Kummer, den ex mir verurſachte, ergriff mi ſo heftig, daß ih ein ſ<leihendes Fieber bekam, das ih dur<h zwei „Monate lang nicht los werden konnte. Meine theuxe un„vergeßliche Mutter, die mih in meiner Kindheit vielleicht „weniger ausſ{<ließli< als meinen Bruder liebte, begegnete