Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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„einer Mutter zuweilen beſſer gelingt, als der ſtrengen Au„torität des Vaters.“ —

Die Freude, den geliebten Sohn bei ſi zu haben, war nur von kurzer Dauer; bald wurde ex, bereits mit 21 Jahren, als Rath an die Regierung in Königsberg verſeßt. Auch ihre Tochter ſah ſie jeht nur ſelten und fie ſagt mit Trauer hierüber in ihrem Tagebuch:

„Es ſcheint, daß die Vorſehung, die mix das größte Glück „geſchenkt hat, ſo ſelten wohlgerathene und liebevolle Kindex „zu beſißen, mix niht das Glü ſenken will, mit ihnen „Vereint zu ſein.“

Jhre Schwiegermutter hatte ihre Enkelin, das Kind ihrex Tochter Rochow, welches ſie ganz beſonders liebte, ſich einige Zeit vor ihrem Tode von dieſer exbeten und das junge Mädchen hatte die Großmutter nicht wieder verlaſſen. Nach deren Ableben erbat ſi< nun Frau von Vos dieſe geliebte Nichte auch ihrerſeits von der Mutter, und behielt ſie bei ſich, und als bald darauf ihr Sohn eine Urlaubszeit im elterlichen Hauſe in Groß-Giewiß zubrachte, erwachte eine Neigung wiſchen beiden jungen Leuten, welche zur großen Freude dex Beide zärtlich liebenden Tante und Mutter mit dexen Verlöbniß \{loß. Am 19. Februar 1779 wurde die Vermählung gefeiert; aber ſhon im October deſſelben Jahres raffte eine Unterleibsentzündung den jungen Mann nach kaum drei= tägiger Krankheit hin. Die unglückliche Mutter erfuhr den Tod, ohne die Krankheit geahnt zu haben. Sofort brach ſie auf, ihre arme Schwiegertochter ſelbſt von Königsberg ab= zuholen, traf dieſelbe bereits unterwegs, brachte ſie, einzig dem Mitleid und dex Beſorgniß um dieſe gewidmet, nah Groß-Giewiß, wo die junge Wittwe am 23. December von einem Knaben entbunden ward, dex am zweiten Weihnachts=