Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Königs im Jahre 1786 änderte nichts in ihrer äußeren Exi= ſtenz. Dex bisherige Prinz von Preußen, dex Sohn jenes Prinzen Auguſt, den die junge Hoſdame einſt geliebt hatte, beſtieg den Thron unter dem Namen Friedrih Wilhelm des Zweiten. Die rührende Geſchichte von dex unüberwindlichen Liebe ſeines armen Vaters für jene reizende Hofdame war auh ihm niht verborgen geblieben und gerade, weil dieſer vielgeliebte Vater ſo früh und ſo verzweifelnd geendet hatte, bis zum Tode ungetröſtet auh über die ihm entriſſene Ge= liebte, war dieſe ſelbſt dem Sohne doppelt theuexr. Auch er hatte ſie noh in dem Glanze ihrex ungewöhnlichen Schön= heit gekannt, als er, ein ſe<szehnjähriger Jüngling, mit dem Hof in Magdeburg täglich mit ihr verkehrt, mit ihr geritten, mit ihr getanzt, mit ihx Theater geſpielt hatte. Sie war damals 31 Jahre alt und gewiß für ihn freundlicher, gütigex, liebenswünrdiger, als für jeden Anderen. Jt es ein Wundex, daß der Prinz niht nüx von ſeiner früheſten Ju-= gend an eine beſondere Verehrung für dieſe Frau faßte, ſondern dieſelbe auh ſein ganzes Leben lang feſthielt und fie noch in ihrem hohen Alter mit Aufmerkſamkeiten und Gnaden-= bezeigungen jeder Art auszeihnete? Jſt es nicht begreiflih, daß au< ſie den Sohn des ſo ſ{<merzli<h beweinten Freundes mit beſonderem Antheil und wärmexem FJntereſſe betrachtete, daß ſie nachſichtiger für feine Fehler wax, als Andere, und den Kummer, ihn no< im beſten Mannesalter ſterben zu ſehen, tiefer empfand, als die Menge, die nux den ſchwachen, untüchtigen Regenten in ihm ſah? Wir werden ſpäter no< von ihr ſelbſt hören, wie die lehten Tage dieſer eigenthümlichen Freundſchaft zwiſchen dem König und ſeiner alten Jugendbekanntin abſchloſſen; vorerſt aber ſollte ex ihr