Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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einen großen Kummer bereiten, dex nah dem Verluſt ihres Sohnes ihr Herz noh einmal mit bitterem Schmerz traf; und es gehörte die ganze oben geſchilderte Shwäche und Vorliebe, die ſie für dieſen Monarchen empfand, dazu, um ihm denſelben zu verzeihen.

Friedri<h Wilhelm Il. war 1744 geboren und 1765 vermählt mit einex Prinzeſſin von Braunſchweig, von wel= cher er auf Befehl Friedrich IT. 1769 wieder geſchieden ward. Ex vermählte ſi<h zum zweiten Mal 1769 mit einex Tochter des Landgrafen von Heſſen-Darmſtadt; doch leider war auh dieſe Che feine glüdlihe; das fernerhin wenig korrekte Leben des Königs und ſeine zahlreichen Liebe8abenteuer ſind fein Geheimniß geblieben. Die erſte Geliebte des damaligen Prinzen von Preußen war die ſpäter zur Gräfin Lichtenau erhobene Tochtex eines armen Berliner Muſikers, Fräulein Enke, die ſih mit dem Kämmerer Rich verheirathet hatte. Dieſe Frau, der es gelang, bis zum Tode Friedrich Wil=helm’s IT. den faſt ungetheilten und leider verderblic<hſten Einfluß auf ihn zu behalten, war zu der Zeit, als ex den Thron beſtieg, längſt niht mehr die Geliebte, ſondern nux noh die Freundin des Prinzen, wie ex ſelbſt ſie nannte. Er hielt die Gewohnheit feſt, womöglich jeden Abend bei ihr zu ſoupiren; ex ſprach mit ihr über Alles, frug ſie bei Allem um Rath und hatte ein ſo blindes Vertrauen zu ihr, daß es nie gelungen iſt, dasſelbe zu erſchüttern. Ja, es war dieſer ebenſo entſchloſſenen als intriganten Perſon gelungen, fich dem König im buchſtäblichen Sinne des Wortes unentbehrlich zu machen und keine ſeinex ſpäteren Neigungen ſ{<wächte jemals ſelbſt nux vorübergehend ihre beklagenswerthe Herrſchaft über ihn.