Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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20. November. Meine arme Nichte hat mix ihr Herz ausgeſchüttet; ach, ih fürchte, es iſt eine unaufhaltſame Sache! 25. November. Der König geht heute na<h Potsdam; ex kam vorher zu uns und war unruhig, weil ex Julie nicht zu ſchen bekam; er liebt ſie toller und leidenſchaftlicher als je. 2. December. Nach Tiſch ſprach der König lange mit meiner Nichte; ach, ih fürchte, es nimmt ein trauriges ‘Ende für ſie und

für die Ehre der Familie! — Jch habe es immer und immer geſagt: man hätte ſie niht an Hof laſſen ſollen! 8. December.

Der König kompromittirt ſih fürchterli<h. Um ſeiner ſelbſt willen möchte ih, ex könnte ein Mann ſein und ſih beſinnen.

: 10. December.

Wie immer ſeht der König ſih beim Thee neben Julie; Tönnte dies ewige Zuſammenſein doh abgewendet werden.

11. December,

Mit dem König in der Kirche. Die Predigt von Spalding wax ſo ſchön, ganz wie für meine Nichte gemacht. Aber es ſcheint, ſie will nihts mehr hören, das ſie zur Pflicht zurü>ruſt; ih habe keinen Einfluß mehr auf ſie; die Kannenberg läßt ſie gewähren, die ihr am Nächſten ſteht und ih habe leidex niht das Recht und die Macht einzugreifen.

14. December.

Julie ſcheint ſehr traurig; ihr Brudex iſ angekommen und hat wohl noh einen leßten Verſuch gemacht, ihr in's Gewiſſen zu reden.