Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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27. December. Gott weiß, bis zu welchem Grade es mi< bekümmert und grämt, den König auf dem directen Wege zu ſchen ein ſolches Unrecht zu thun, das unſere Familie überdem ſo entehrt ! 30. December. Heute kam endli<h, was ih lange gefürchtet hatte: meine Nichte warf ſi< in meine Arme, um mir zu ſagen, daß ihr Schickſal entſchieden ſei; fie wolle dem König ange-= hören aus Pflicht für ihn und aus Liebe zu ihm! — Jch geſtehe, ih finde ſie ſo furchtbar zu beklagen, daß i< kein Wort mehr habe, ſie zu verdammen; ſie wird bald genug namenlos unglüli< ſein; denn ihr Getviſſen wird ſie nie mehr Ruhe und Frieden finden laſſen. 1. Januax 1787. Immer ſeht der König ſich wegen Julie an den Hofdamentiſch, was ſo unpaſſend ift. Uebrigens ſcheint mix faſt, ſie hat jet eine größere Leidenſchaft für ihn, als ex füx ſie. è 21. Januar. Augenſcheinli< hat die große Leidenſchaft des Königs ſih abgekühlt; er wird ſichtlich gleihgültiger gegen die arme Seele und wenn das ſo endet, ſo geht ſie einem traurigen Geſchick entgegen.

27. Januar.

Die arme Julie war in Verzweiflung heute Abend; ſie liebt den König und ihre Gewiſſensſcrupel haben ihn auf die Länge ermüdet und verſtimmt. Sie ſagte mir, ſie ſei zu ſ{hwach, um ihm jeht noh zu entſagen, und ex wolle in die Bedingungen, die ſie geſtellt habe, ni<t willigen. Mix ſcheint, Andere intrigiren gegen ſie; das iſt der Grund von dem Allen.