Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Der König kam zum Souper; er war ſtill und verſtimmt, die arme Julie unruhig und unglüklih. Als er ſie mit ſeiner Leidenſchaft verfolgte, war ſie ſtark und ſtandhaft; nun ex gegen ſie erkaltet iſt, fann ſie es niht aushalten und fann niht von ihm laſſen.

30. Januar.

Die Viere> gefällt dem König; ex kältet ſih ſihtli< ab gegen Julie und die Aermſte iſ ganz troſtlos über ſein verändertes Weſen. Jm Uebrigen iſt ex jeht ſo liebenswürdig mit allen Menſchen, wie no< nie; ſelbſt Frau und Kinder, Alle beten ihn an und ſind entzüctt von ſeiner Freundlichkeit und Güte.

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Die Bedingungen, welche Fräulein von Vos dem König geſtellt hatte, und die oben von der Obexrſthoſmeiſterin erwähnt wurden, waren folgende: daß die regierende Königin ihre ſ{<hriftlihe Einwilligung zu ihrer Verbindung gebe; daß ſie dem König feierlih zur linken Hand angetraut werde, und daß die Rieß mit ihren Kindern für immer Berlin verlaſſe. Jn die beiden erſten Punkte willigte der König ſo-= gleich ein, aber den dritten wollte ex nicht zugeſtehen. Und doh drängten verſchiedene einflußreiche Perſönlichkeiten, beſonders der Schwiegervater ihres Bruders, der Miniſter Finkenſtein, Fräulein von Vosſ zur Nachgiebigkeit und redeten ihr vor, ſie opfere ſich ſelbſt dem Glick des Landes und dem wahren Wohl des Königs, indem ſie den Einfluß eigennüßiger und gefährlicher Perſonen aus ſeiner Nähe verbanne; ja die Königin ſelbſt that es, in dex Hoffnung, die gefürchtete Ricß dur ſie zu beſeitigen. Sie hatte von jeher eine große Vor= liebe für Fräulein von Vos und ließ ihr jeht ſagen: ſie ſei