Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Glas Limonade vergiftet worden, und die Menge wollte ſich dieſen Verdacht niht ausreden laſſen. Selbſt die Königin beweinte die Verſtorbene und wiederholte immerfort: „Jch habe meine beſte Freundin in ihr verloren.“

Die Oberſthofmeiſterin ſagt in ihren Aufzeihnungen:

„Der König erfuhr den Verdacht einer Vergiftung und befahl die Obduction der Leiche. Dieſe bewies deſſen Grund= loſigkeit, die Lunge allein war krank, das hat ſie getödtet.

Dex König hat unglaubli<h großmüthig für alle ihre Leute geſorgt, ihren Kammerdiener hat ex zu ſeinem pexrſön= lichen Dienſt zu ſi<h genommen.“

Faſt ein Jahr lang lebte der König in dem Schmerz um die verlorene Geliebte und in dem Andenken an ſie fort, und jedes Bemühen war vergebli<h, ihn von demſelben zu zer= ſtreuen. Ex konnte es niht über ſih gewinnen, die Oberſt= hofmeiſterin wieder zu ſehen, deren Anblick ihn zu ſ{hmerzli<h an das Glück, das vergangen, und an die leßten ſ{<önen Tage deſſelben exinnerte. Wenn ex thr bei dex Königin in Schönhauſen nux einmal flüchtig begegnete, verlor ex alle Faſſung und konnte ſeine Thränen nicht beherrſchen. Aber im Laufe des folgenden Winters fand ex eine Tröſterin. Eine junge Gräfin Dönhoff, eine auffallend hübſche Perſon, die Hofdame bei der regierenden Königin war, wußte ſein Herz zu rühren; er verliebte ſih in dieſelbe, und ſchr bald verließ au< ſie den Hof, um die Stelle der Verſtorbenen einzunehmen. Es iſt nur zu begreiflich, wie ſhmerzlih dieſer zweite Roman, den das unbeſtändige Herz des Königs an= geſichts ſeiner Gemahlin, ſeiner heranwachſenden Kinder und