Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

des ganzen Hofes in Scene ſeßte, für das verwundete Gefühl dex Oberſthofmeiſterin war. Sie litt dabei eben ſo ſehr in ihrex Liebe zu dem Könige, als au in ihrer Liebe zu dex unglücklichen Gräfin Jugenheim, die ſie ungeachtet ihres Fehltrittes mit mütterlicher Treue noh immer beweinte. Von den wenigen Einzelnheiten, welche ſi< über den Verlauf dieſer Angelegenheit in ihren Tagebüchern finden, wollen wir als fernere Kennzeichnung dex damaligen Sittenzuſtände einige entnehmen, obgleich ſie alle nux ſehx lakoniſh und ungenügend über das ſi< Ereignende Nachricht geben. Gerade am Tage der ſcierlichen Beiſeßung der Gräfin Fngenheim in dex Kirche zu Buch am 4. April 1789 heißt es darin:

„Heute kam die bereits ernannte neue Hofdame dex ve= gierenden Königin, Gräfin Sophie Dönhoff, hier an und ward an Hof präſentirt.“

Sie erwähnt dieſelbe darauf niht wieder, bis viele Monate ſpäter, am 27. Januar 1790, wo ſie ſagt:

„Jh kam von Rüdenhauſen, wo ih bei meinex Tochter war, heute wieder in Berlin an und ging Abends an Hof zur Königin-Wittwe. König und Königin waren dort; die Herrſchaften überhäuften mich mit Güte, beſonders der König wax rührend gnädig und freundli<h gegen mich; aber es frappirte mich, daß er die neue Hoſdame Dönhoff ſehr zu beachten ſcheint.“

Sie exſährt darauf wohl von Anderen, daß jenes „Beachten“ bereits die Aufmerkſamkeit des Hofes erregt hat. Wir wollen uns nun darauf beſchränken, die Tagesnotizen, wie wir ſie finden, wörtlich wiedex zu geben.

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