Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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außer in Brandenberg, wo die Deputirten des Adels waren und ih Herrn von Korff wiederſah. Um 1 Uhr ging es von hier weiter und vom leßten Relais vor Königsberg an bis zur Stadt ſelbſt wax die Hie, der Staub und das Menſchengetümmel fo arg, daß man buchſtäblich niht mehr ſehen und athmen konnte. Alle Häuſer dex Stadt waren mit Fahnen, Kränzen und Flaggen bede>t, überall war Muſik, am Thor eine Menge weiß gekleideter junger Mädchen, die der Königin einen großen Korb voll der ſchönſten Blumen brachten. Wix fuhren quer dur< die Stadt an den Strand, wo unzählige beflaggte und bekränzte Schiffe an den Quais entlang lagen, alle Matroſen weiß angezogen, die uns mit Hurrah-Rufen begrüßten und ihre Hüte ſhwenkten. Vor dem Schloß ſtanden alle Generale und höheren Offiziere und außerdem eine ſolche Maſſe Menſchen, daß es ſi<h nicht beſchreiben läßt! — Die beiden Kammerherren Graf Keyſerling und Graf Sacken, wurden vorgeſtellt; die Gräfinnen Dönhoff, Groeben und Oſten, die Herzogin von Holſtein und no< einige andere Damen empfingen die Königin im Schloß. Sie hielt dieſelben jedo< niht lange bei ſih feſt und zog ſih bald zurück. Das Schloß iſt groß aber häßlich, i< wohne in den Kinderzimmern des Grafen Brünne>, König und Königin in ſeinen eigenen Zimmern. 4. Juni.

Domhardt, die Dönhoff's und die Dohna's kamen zu mix, Wir hatten ein Dinex von 60 Perſonen, die geſtrigen Damen wieder und außerdem die Frauen aller Generäle. Nach Tiſch hatte ih Viſiten bis 7 Uhr, dann fing die Coux an und die Präſentationen waren ohne Ende. Spät Abends

Am Preußiſchen Hofe. 2. Aufl. 15