Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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gegen ihre ſonſtige Gewohnheit, nur langſam. Doch brachte die ſchöne Fahreszeit und das Leben im Freien, das ſie ſo liebte, und das immer ihr beſtes Heilmittel war, ihr nah und nach die verlorenen Kräfte wieder und ſie war im Stande, den König auf einer längeren Reiſe ins Reich und nah den ſogenannten neuen Provinzen, na< Erfurt und Mühlhauſen, zu begleiten.

Die Obexrſthofmeiſterin verlor in dieſem Jahre ihren Schwiegerſohn, den regierenden Grafen Caſtell-Rüdenhauſen, deſſen Wittwe vorerſt ihren nunmehrigen Wittwenſiß, Schloß Remlingen bei Würzburg, bezog, abex auh öfter nah Berlin fam, um ihre Mutter zu beſuchen.

Jm Januar 1804 vermählte ſich der Bruder des Königs, Prinz Wilhelm, mit der Prinzeſſin Marianne von Heſſen= Homburg. Die Oberſthofmeiſterin ſagt hierüber:

„Wir hatten die Prinzeſſin ſ{<hon in Frankfuxt a. M. geſehen, wohin ſih der Hof zu dieſem Zweck begeben hatte. Abex ſie verſpra<h beim erſten Eindru> mehr, als ſie hielt; beide Verlobte waren Anfangs ein ſteifes und ſummes Paar.“

Am 13. December deſſelben Jahres bekam die Königin ihr achtes Kind, einen Prinzen, der den Namen Ferdinand erhielt. Es war dies ein ganz beſonders ſ<önes und reizendes Kind und bildete das ganze Entzücken ſeiner Mutter; aber ſie mußte daſſelbe am 1. April 1806 wiedex verlieren und die Trauer um ſeinen Tod erſchütterte ihre bereits leidende Ge= ſundheit ſehr. Die Königin war lange Zeit ganz untröſtlich über den Verluſt dieſes Kindes, und es ſchien faſt, als ob ſie von jenem Augenbli> an, wo es in ihren Armen die Augen ſ{loß, keinen Moment vollkommen heitexen Glückes mehr empfinden ſollte.