Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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eines Tages untergehen, aber vielleicht zu ſpät für uns, zu ſpät für unſer geliebtes Deutſchland. 31. October.

Jh ſchrieb Briefe, aber wer weiß ob ſie jemals anfommen werden. Ach gar keine Nachrichten! — das iſt \chre>li<. Weder unſere Koffer aus Magdeburg, noh die aus Stettin kommen an. J<h habe hier große Mühe und Noth den Haushalt für die Königlichen Kinder einzurichten und eine gute Küche für ſie in Gang zu bringen.

1. November,

Es heißt, daß der Prinz Hohenlohe bei Prenzlau geſ{hlagen und gezwungen worden ſei, zu kapituliren und mit allen ſeinen Truppen ſi< gefangen zu geben! — Die Majeſtäten ſind wieder in Graudenz. Die Prinzen reiſen morgen na<h Königsberg ab. Die Prinzeſſin Solms hat einen Feldjäger an die Königin abgeſchi>t, um zu fragen, ob wir auh abreiſen follen. Die Prinzeſſin Radziwill iſt heute angekommen und ſagt, da der König gar keine Truppen mehr habe, müſſe er Frieden ſ{hließen. Der General Zaſtrow ſoll nah Berlin zu Napoleon geſchi>t worden ſein. Als der leßtere dux< Potsdam kam, hat er den Einwohnern verſichern laſſen, das Andenken Friedrich's 11. flöße ihm zu viel Achtung ein, um Gold von ihnen zu verlangen; ſie ſollten nux Lebensmittel für die Soldaten und Futter für die Pferde liefern. Die Franzoſen müſſen ſchon ſeit dem 30. in Stettin ſein. Der Prinz und die Prinzeſſin von Oranien haben eben dur< eine Stafette ihre bevorſtehende Ankunft hier angemeldet. Alle Nachrichten find entſeßlich; es ſcheint, die heilige Vorſehung hat beſchloſſen, uns voll= fommen zu vernichten; ihre Wege ſind nicht unſere Wege. —