Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

32 I. Alter des Poimandres.

Jetzt ist in der heidnischen Poimandres-Schrift alles erklärt, sowohl daß der Noüc als Menschenhirt erscheint, wie daß er sich in Licht verwandelt (vgl. Gebet V 3: co0 yüp pavevroc püc Epavn) und daß der Prophet in diesem Licht das Werden des xöcuoc schaut. Wir müssen annehmen, daß der Christ die Beschreibung des Hirten einem ursprünglich vollständigeren heidnischen Text entnahm, und verstehen unter dieser Voraussetzung leicht auch die Einzelheiten seines Berichtes, die Versicherung dmectäAnv, iva uera co0 oikrcw Tüc Aoımäc Muepac fc Zwiic couv (vgl. Gebet 110), wie die Antwort yıyııckw, iD napedößnv (vgl. Gebet II 7), endlich die ganze Fiktion jenes Boten des neuen Sinnes, der ja nur der ins Christliche übertragene Noöc ist. Da es sich ferner nieht um die beliebige, typische Einführung einer Vision, sondern um die wesenhafte Grundfiktion des Poimandres handelt, müssen wir folgern, daß im Hirten des Hermas eine ältere und ausführlichere Fassung des Poimandres benutzt ist. Ich darf, ehe ich weitergehe, vielleicht auf eine weitere Entlehnung aufmerksam machen.

des Sonnengottes als Hirten kehrt bei den verschiedensten Völkern wieder und ist auch dem ägyptischen nicht fremd. In dem Buche von den unterweltlichen Dingen erscheinen in einer bildlichen Darstellung die Vertreter der vier Menschenrassen, die Horus wie ein Hirt zu überwachen scheint. Ihm werden die Worte in den Mund gelegt: Also Horus zu den Herden des Sonnengottes, die in der unteren Hemisphäre weilen: „das schwarze (Ägypten) und das rote Land war das beste für euch, ihr Herden des Sonnengottes....... Ihr, die Träne meines Auges unter eurem Namen Romet (Menschen, Ägypter); ihr, denen ich eure Größe geschaffen habe unter eurem Namen Aamu (Asiaten), welchen die Göttin Sochit als Beschützerin ihrer Seelen geworden ist; ihr, für welche ich mich selbst befleckt habe zu meinem Behagen wegen der Menge, die aus mir zum Vorschein kam, unter eurem Namen Nahsu (Neger), welchen der Gott Horus als Beschützer ihrer Seelen geworden ist; ihr, für welche ich mein Auge gesucht habe, unter eurem Namen 'Thamhu (Libyer), welchen Sochit als Beschützerin ihrer Seelen geworden ist“, (Brugsch, Rel. u. Myth. d. alten Äg. 757). Das ist wichtig, weil uns Christus im dritten Kapitel als Hirt der sieben ursprünglichen Volksstimme begegnen wird. Daß der Sonnengott als Hirt seine Hürde im Westen hat, ist natürlich. So läßt sich hiermit vielleicht ein Volkslied aus der V. Dynastie verbinden, an das mich Prof. Spiegelberg erinnerte. In einem Grabe zu Sakkara spricht ein Hirt zu seiner Herde (Erman, Ägypten 515): „euer Hirt ist im Westen bei den Fischen; er spricht mit dem Wels, er (begrüßt sich) mit dem <Hecht) des Westens; euer Hirt ist im Westen“. Freilich müßte der Maler den ursprünglichen mythologischen Kern bereits mißverstanden haben, da er die Darstellung mit Genrebildern verbindet.

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