Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

den Meiſten für ein Truppen-Transportſchiff gehalten wurde, während einige Wenige in ihm ein Panzerſchiff mit zwei Maſten erkennen wollten. Einige Minuten genügten, um allen Zweifeln ein Ende zu maten und den leßteren Vermuthungen Necht zu geben. Die „Veſta“ ſah ein unter vollem Dampfe ihr entgegenkommendes türkiſ<hes Panzerſchiff vor ſi<h. Auf den Tops der Maſten wurde die ruſſiſche Kriegsflagge gehißt und von der Commandobrü>e erſholl das Commando „An die Geſchüße, fertig!“ Bald darauf gaben die Buggeſchübße ihre erſte Salve ab. Hier ſei bemerkt, daß die Bauart der „Veſta“ es niht geſtattete, die Kanonen in den Breitſeiten aufzuſtellen, ſo daß dieſelben ſämmtli<h im Vor- und Achterſchiffe aufgeſtellt werden mußten, in Folge deſſen war die „Veſta“ gezwungen, nur mit dem Buge und mit dem Ahterſchiffe zu kämpfen, wozu ſie jedoh au< aus taktiſ<hen Gründen angewieſen war, da es hö<hſt unvortheilhaft geweſen wäre, dem Feinde die großen Flächen ihrer Breitſeiten zu bieten.

Die erſten Schüſſe trafen niht, da die Entfernung no< niht genau beſtimmt war; die „Beſta“ wendete nun nah Steuerbord und kehrte dem Feinde das mit drei Mörſern und gezogenen Neunpfündern armirte Achterſchiff zu ; von dieſem wurden, nachdem ſi< die Schiffe auf fünf Kabel (500 Klafter) Entfernung genähert hatten, die erſten Schüſſe abgegeben. Nun begann ein ununterbrohener Geſhüßkampf, der ſe<8thalb Stunden anhielt. Von der Bemannung der „Veſta“ wurde der Artillerie des türkiſ<hen Panzerſchiffes volle Anerkennung gezollt. Nah Angabe des Capitän-Lieutenants Baranoff verfügte das türfiſhe Panzerſchiff über vier ſ<hwere Geſhüße in der Caſematte, ein ſ{<weres Geſhüß hinter einem gepanzerten Schilde vorne, ein gleihes Geſchütz hinten und einige leihte Kanonen an den ungepanzerten Seiten. Wenn au< von den nahezu hundert gegen die „Veſta“ abgefeuerten Schüſſen blos drei Shrapnel-Granaten eine beſonders verheerende Wirkung am Bord ausübten, ſo waren doh die meiſten Schüſſe ſehr gut gezielt, und hatte es die „Veſta“ nur den beſonders geſchickten Manövern des Commandanten zu verdanken, wenn ſie nur von verhältnißmäßig wenigen Geſchoßen getroffen und niht zum Sinken gebra<t wurde ; au< mußte fortwährend die größte Aufmerkſamfeit den Manövern des Gegners, der über eine Geſchwindigkeit von mehr als 13 Knoten verfügte, gezollt werden, um von dieſem niht gerammt zu werden.

Das Feuer wurde beiderſeits immer heftiger. Das erſte Hohlgeſchoß, welhes in dem Dee der „Beſta“ plabte, rihtete große Verheerung an, ein Mörſer wurde unbrauhbar gemacht und die Bemannung zweier Geſchübe theils getödtet, theils verwundet, mit ihnen zuglei< die zwei am Bord

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befindlihen Artillerie-Offiziere Oberſtlieutenant Tſchernoff und Fähnrih Jakowleff; dem Erſteren wurde dur< einen Granatſplitter die linke Seite aufgeriſſen, ſo daß die Eingeweide und das Herz zu ſehen waren, trotdem lebte er noch einige Augenbli>e, ſpra< ſogar no einige Worte. Lieutenant Fakowleff bekam eine ganze Ladung Shrapnelkugeln in den Leib, man zählte neunundzwanzig Wunden an “ihm; er hatte no< ſo viel Kraft, den Umſtehenden zu ſagen, ſie mögen die Concuſſions- (Erſhütterungs)-

Kampf des ruſſiſchen Dampfers „Veſta“ nA

Brandeln aus ſeiner Taſche nehmen, und ſtarb darauf. Ein zweites am Bord explodirendes Geſchoß richtete faſt eben ſo viel Unheil an wie das erſte; dur< dasſelbe wurde der MinenOffizier Lieutenant M. Pereleſchin, der eben die Torpedocaſſe zum Ausſeßen bereit mate, ſehr ſ{<wer verwundet, er erlitt eine Menge Wunden, unter Anderem wurde ihm ein Fuß ganz zerſhmettert (er ſtarb kurze Zeit nah erfolgter Amputation in Sebaſtopol). Zu gleicher Zeit ſetzte ein weiteres Hohlgeſhoß das Schiff im Zwiſchende>e, Achter, in der Nähe des Muni-