Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

die Stadt verlaſſen, die faſt nihts mit ſi genommen hatten, als was ſie am Leibe trugen.

Angeſtellte Nachforſchungen zeigten, daß nicht ein Haus oder Laden der Plünderung entgangen war. Es war faſt unglaublih, wie dieſe Leute mit ihrem Werk in ſo kurzer Zeit zu Stande kommen konnten. Es waren 1000 his 2000 Baſchi-Bozuks daſelbſt, die aus Tſcherkeſſen und Zeibeks beſtanden. Hunderte von dieſen Elenden deſertirten und überſhwemmten das Land in Partien von Zwanzig zu Dreißig, indem ſie überall bulgariſche Orte plünderten und anzündeten. Die Anzahl der Getödteten war verſchieden, bis zu 500 angegeben. Man war betroffen über den eigenthümlihen Aus dru> von Verzweiſlung und Schre>en auf dem Antlib der meiſten no< lebenden Weiber, welche die ſ{händli<ſten Mißhandlungen erlitten hatten, und eine fiel ganz beſonders auf. Sie war eine ſehr {öne Frau von 25 Jahren, ſtattlih und hohgewa<ſen, mit einem auffallenden Geſicht. Der Geruch der Leihen war unausſtehlih und nur indem man die Taſchentücher mit Kölnerwaſſer tränkte und dieſelben vor den Mund hielt, war es möglih, ſi< den Ueberreſten der Getödteten zu nähern und die Wanderung durc die verwüſtete Stadtzu vollenden.

Nicht minder ſhre>li<e Scenen fanden im Schipka-Pa ſſe ſtatt.

Es waren offene Verletzungen des Völkerrechtes, deren ſih die Türken ſ<huldig gemacht. Dazu kam noh die Verleßung der Parlamentärflagge. Jn den mörderiſhen Kämpfen am 17. und 18. Fuli, welche vor der Räumung der von den Türken errichteten Verſhanzungen ſtattfanden, wurden gewiſſe Poſitionen von beiden kämpfenden Theilen nah einander beſet und aufgegeben und hatte feiner der beiden Theile Zeit, die Todten und Verwundeten wegzuſchaffen. Nach beendigtem Kampfe wurden die in großer Anzahl zurü>gelaſſenen türkiſchen Verwundeten geſammelt und auf dem Plateau ſelbſt von den Wundärzten der gegneriſhen Armee gepflegt; von den ruſſiſchen Verwundeten, die das Unglü> hatten, auf einer momentan von den türkiſhen Truppen beſetzten Stelle zu fallen, iſt jedo< keiner lebendig geblieben. An zwanzig bis dreißig Unglückliche wurden geköpft, mehreren wurden die Füße, Hände, Ohren und Naſen abgeſ<nitten, ſowie die Bruſt mit YataganHieben zerfleiſ<t. Die Köpfe wurden in das türfiſhe Lager getragen, wo ſie von den ruſſiſ<hen Soldaten nach erfolgter Beſehung der Verſhanzungen vorgefunden wurden. Bei einigen derſelben war aus den zuſammengezogenen Muskeln und gewundenen Gliedern zu erſehen, daß die \<re>li<en Torturen der Verſtümmlung an ihnen

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beim lebendigen Leibe vollzogen worden waren. Man fand einen enthaupteten und verſtümmelten Körper no< auf der AmbulanzTraghahre ausgeſtre>t, auf wel<he er als Verwundeter von ſeinen eigenen Leuten gelegt wurde, und niht weit davon die gleichfalls enthaupteten Leihname der Träger mit der Binde des rothen Kreuzes auf dem linken Arme!

Die Verleßung der Parlamentärflagge fand in den Kämpfen am 18. im Schipka-Paſſe ſtatt.

Als die ruſſiſchen Tirailleurs im ShhipkaPaſſe am 18. Juli der türkiſhen Redoute näher famen und Sqritt für Schritt vorwärts drangen, wurde von den Türken, zum Zeichen, daß ſie dieſelbe ohne weiteren Kampf zu übergeben hbeabſihtigen, eine große weiße Flagge entfaltet. Zuerſt ſtußten die Ruſſen und zögerten, dem Feinde zu vertrauen. Aber die weiße Flagge, welche nah vorne getragen und geſhwenkt wurde,

‘war ſo groß, daß ſie keinen weiteren Zweifel

aufkommen ließ. An dieſem, wie an dem vorhergehenden Tage, befand ſi< der tapfere Major Liegniß vom preußiſchen Generalſtabe unter den Tirailleurs, niht um zu fe<hten, ſondern um zu beobachten, und aus ſeinem Munde ſtammen die nachſtehenden Details. So großes Vertrauen ſezten Alle auf den augenſcheinli<hen Zwe> der alſo entfalteten Flagge, daß er (Liegnitz) thatſächli<h vorwärts ging, ſi< mit einem der in der erſten Linie der Tirailleurs ſtehenden Türken in ein Geſpräch einließ und mit Denjenigen vorzugehen wünſchte, welche ſi< in die Redoute verfügen wollten, um dieſelbe zu übernehmen aber das wurde ihm abgeſchlagen. Als die ruſſiſchen Soldaten aus ihren De>ungen hervortraten und aus8geſeßt daſtanden, fielen aus der Front ein oder zwei Schüſſe, die man für zufällig halten konnte, dann ein oder zwei mehr und endli<h wurde auf ein von beiden Enden des Forts zugleih gegebenes Zeichen eine volle Dechharge und nach ihr eine zweite abgegeben. Die Tirailleurs prallten für einen Augenbli> zurü>, faßten ſi< bald wieder und nahmen in einer Viertelſtunde das Fort mit Sturm.

Des folgenden Tages war der Befehl ertheilt worden, die Straßenſtre>e von beiden Seiten unter Mitwirkung der Artillerie anzugreifen, aber es erſchien eine Wa ffenſtillſtandsflagge von türkiſcher Seite und der Offizier, welcher ſie trug, war von dem commandirenden Paſcha beauftragt, mitzutheilen, daß er wegen Mangel an Brot und Munition niht länger Widerſtand [leiſten könne und ſi< mit ſeinen Leuten in das ruſſiſche Lager begeben wolle, umdort die Waffen niederzulegen, wenn ihm zugeſagt werde, daß man ihn niht angreifen würde. Seltſam genug traute man den Verräthern vom vorigen Tage