Geschichte der französischen Revolution

70 IV. Kapitel. Der Nationalfonvent.

<riſtlihen Seitre<hnung der republifaniſ<he Kalender eingeführt, wobei jeder Monat, beſtehend aus drei Dekaden zu je zehn Tagen, nah den Jahreszeiten und ihren Erzeugniſſen bez nannt wurde. Die Sonntage wurden dur die Feier des zehnten Tages, die sansculottides erſet. Die fatholiſ<he Religion wurde verdrängt dur den Kultus des Vaterlandes, der, wie einer ſeiner Verkündiger rühmte, feine Geheimniſſe und Myſterien hatte, deſſen einziges Dogma die Gleichheit, deſſen Prediger die Geſetze, deſſen Prieſter die Behörden ſeien, der den Weihrauch der großen Familie nur vor dem Altar des Vaterlandes, der gemeinſamen Mutter und Gottheit, opfere. Statt der Heiligenſheine wurden an den Darſtellungen der Heiz ligen Freiheitsmüßen angebraŸt; wo das niht ging, {lug man ihnen die Köpfe ab. Eine Gemeinde St. Blaſien nannte ſi< nun Brutus. In der Uotre-Dameftirhe zu Paris, die in einen Tempel der Vernunft umgewandelt wurde, ward zuerſt ein Feſt der Freiheit gefeiert. Auf dem Altar der Vernunft ließ man die Flamme der Wahrheit brennen; eine Schauſpielerin perſonifizierte die Freiheit.

Wie in Paris, ging es au< in den Provinzen zu, beſonders ſkandalös im Südweſten. Wo man dem Seind am nächſten war, ward der neue Kultus am eifrigſten betrieben. Aber was in Paris niht mehr als Humbug war, wurde den Leuten hier ein heiliger Ernſt; da nahm man auh niht Mädchen aus niederem Stande und von zweifelhaftem Ruf, ſondern die tugendhafteſten und ſchönſten aus den beſten Kreiſen zu Freiheitsgöttinnen. Was uns heute wie Wahnſinn erſcheint, war doh nihts anderes als ein Ausfunftsmittel der nationalen Verteidigung gegen den inneren Feind, den ftatholiſ<hen Klerus. Allmähli< wurde der Rultus der Vernunft dur<h den des Vaterlandes verdrängt. Die Büſten der Philoſophen wichen den Statuen der Märtyrer der Freiheit. Der Konvent begünſtigte anfangs dieſes Treiben ; aber als die Bauern ſi gegen dieſe Angriffe auf ihre alte Religion erhoben, lenkte die Regierung wieder ein. Um einen neuen Bürgerkrieg zu vermeiden, wurde hier und da die Öffnung der Kirchen wieder geſtattet. Der Gottesdienſt war überhaupt nie völlig unterbrochen; es war materiell unmögli<, den Katholizismus auszuroden. Die Feindſchaft gegen die Prieſter verhinderte niht die Anhänglichkeit an die Kirhe. Man hat dieſen Kampf gegen die katholiſhe Religion auf eine Über-