Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

320 Anhang: Die Texte.

Zu größerer Wirkung gelangten die Hermetischen Schriften erst mit dem Erstarken des Humanismus im Abendlande. Georgios Gemistos Plethon hatte bekanntlich den Neuplatonismus als eine Art Religion nach Italien übertragen und auf Cosimo Mediei tiefen Eindruck gemacht. Der von ihm als Leiter der zukünftigen Akademie frühzeitig erkorene Marsiglio Fieino mußte als erstes, grundlegendes Werk das Hermetische Corpus im Jahre 1463 ins Lateinische übertragen. Den griechischen Text hatte Cosimo durch einen Mönch, Bruder Lionardo von Pistoja, aus Bulgarien (Macedonien) holen lassen; die Handschrift ist in der Bibliothek der Mediei erhalten; es ist der Zaurentianus 71,33.') Plan und Grundgedanken des Cosimo gibt die Einleitung. Der uralte Prophet, der erste aller Theologen, sollte diesem Mystizismus, der das Christentum nicht direkt bekämpfte, aber doch weit über es hinausging, die Autorität und urkundliche Gewähr gegenüber den von der Kirche angeführten Autoritäten, besonders Aristoteles, bieten. Die nächste Wirkung läßt sich aus einer Nachahmung beurteilen, die den Titel trägt: Lodoviei Lazareli poetae christiani ad Ferdinandum regem?) dialogus, cut titulus Crater Hermetis. Lazarello hat lange nach Wahrheit gesucht und zu Gott gefleht, bis endlich der Poimandres des Hermes, Jesus Christus selbst, in ihn niedergestiegen ist und ihn erleuchtet hat. Er predigt seinem Könige die neue Lehre des Mystizismus und gibt auf den Einwurf desselben Hermeticus es, ut videris, Lazarele die charakteristische Antwort: Christianus ego sum, 0 rex, et Hermeticum simul esse non pudet. si enim praecepta eius consideraveris, a christiana confirmabis non abhorrere doctrina”) Das religiöse

1) Den Beweis gibt der Umfang des Corpus (nur Kap. I—-XIV), die Überschrift des letzten Kapitels und der Text der in dieser Handschrift lückenhaften ersten Seite des Poimandres. Ich habe die Übersetzung des Ficinus daher nicht mit berücksichtigt.

2) Den König von Neapel. — Das Schriftchen ist mit der Übersetzung des Fieinus und Pseudo-Apuleius 1505 von Henricus Stephanus herausgegeben.

3) Daß sich Lazarello gegen die Kirche und Aristoteles, wenn auch in vorsichtig gewählten Worten, wendet, und daß er in reichem Umfang Philon, das Henochbuch, den Talmud, ja selbst die Hauptschriften der Kabbala benutzt, sei beiläufig erwähnt, um dies eigenartige „Christentum“ zu charakterisieren und die Zusammenhänge mit anderen Richtungen des humanistischen Mystizismus hervortreten zu lassen. — Des Porphyrios Schrift TTepi rc &x Aoylwv gpiocogpiac will Lazarello ebenfalls benutzt haben; doch findet sich das einzige mitgeteilte Aöyıov auch bei Eusebios Praep. ev. VII 10 p. 412 d.

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