Poimandres : Studien zur griechisch-ägyptischen und frühchristlichen Literatur

Textgeschichte. Ausgaben. 321

Interesse an diesen Schriften dauerte länger als ein Jahrhundert; noch 1591 will Patrieius durch seine Gregor dem XIV. und allen kommenden Päpsten gewidmete „Neue Philosophie“ die heidnische Philosophie des Aristoteles aus der Kirche verdrängen und an dessen Stelle Plato, Plotin, Zoroaster und Hermes setzen; ihre Lehre stimme mit der ehristlichen überein.

Aber auch hiervon abgesehen mußte schon die geheimnisvolle und manchmal so mächtige Sprache dieser Schriften die Humanisten begeistern. Es ist kein Wunder, daß von der Mitte des XV. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts eine größere Anzahl von Handschriften entstehen, welche den Text verständlicher oder eleganter zu machen suchen. !)

Im Jahre 1554 gab dann Adrianus Turnebus zum erstenmal den griechischen Text heraus; er wurde dabei von Angelus Vergecius unterstützt, auf dessen Rechnung ein kurzer Nachtrag von Lesungen und Konjekturen gesetzt werden mag. Die Ausgabe bietet im ganzen den getreuen Abdruck einer jungen Handschrift, welche dem Cod. D nahe stand.?)

Den Text des Turnebus legte im Jahre 1574 Francois Foix de Candalle (Franeiseus Flussas) seiner Ausgabe zu Grunde; neues handschriftliches Material benutzte er nicht und ließ Kap. XVII und XVIH als rettungslos verdorben fort. Unterstützt von Scaliger und andern Humanisten versuchte er vor allem einen lesbaren Text herzustellen, ohne den Stand der Überlieferung dabei zu verdunkeln. Seine Ausgabe bietet noch heute die einzige größere kritische Leistung für diese Texte.

Eine dritte Ausgabe veranstaltete im Jahre 1591 Franeiseus Patrieius in seiner Nova de universis philosophia®), deren Anhang eine Sammlung der Fragmente des Hermes und des Asklepios mit dem überlieferten Corpus verbindet. Die Reihenfolge der Dialoge hat Patricius dabei verändert, die Asklepios-Schriften von denen des Hermes

1) Besonders charakteristisch sind dabei die Besserungen an der Form des Dialogs. Handschriften, in denen sie sich finden, sind ohne weiteres als wertlos zu betrachten.

2) Ein Exemplar habe ich durch die Güte der Verwaltung der Berliner Bibliothek in Straßburg benutzen können,

3) Erschienen zu Ferrara. Mir war nur der drei Jahre später in Venedig veranstaltete Nachdruck zugänglich. Ob die zahllosen Druckfehler, welche ihn entstellen, auf Rechnung des Patrieius zu setzen sind, weiß ich nicht und habe sie nicht berücksichtigt.

Reitzenstein, Poimandres, 21